Stanley Kubricks Vermächtnis
Zurück in die Zukunft: Das Deutsche Filmuseum in Frankfurt widmet sich in der Sonderausstellung Kubricks 2001. 50 Jahre A SPACE ODYSSEY dem Vermächtnis des Kult-Regisseurs. Sein Science-Fiction-Meisterwerk aus dem Jahr 1968 ist von zeitloser Aktualität.
Eine Kolumne von Horst Martin
Stanley Kubrick verdanken wir eine Reihe von unvergessenen Meisterwerken verschiedener Genres: Er inszenierte das opulente Historiendrama SPARTACUS, verursachte mit der Bestseller-Verfilmung LOLITA (1962) einen Skandal, setzte mit der irrwitzig-realistischen Kriegssatire DR. SELTSAM, ODER WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN (1964) sofort einen drauf, zertrümmerte in UHRWERK ORANGE (1971) alle bürgerlichen Konventionen, zeichnete im flackernden Kerzenlicht ein filmisches Barockgemälde in BARRY LYNDON (1975), schockte mit dem Horrorfilm SHINING bis ins Mark, erschuf in FULL METAL JACKET (1985) den ultimativen Kriegsfilm und hinterließ mit der Schnitzler-Verfilmung EYES WIDE SHUT (1999) ein rätselhaftes Beziehungsdrama. Ein Film, entstanden in der Mitte seines Schaffens, nimmt eine Sonderstellung in Kubricks Werk ein: der Science-Fiction-Film 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM aus dem Jahr 1968.
Unzählige Mythen ranken sich um den Film, der so rätselhaft ist wie der schwarze Monolith zu Beginn der Filmhandlung. Kubrick betrat, wie seine Protagonisten bei der Mondmission, völliges Neuland. Mittels raffinierter Tricktechnik erschuf er Bilder von der Erde, wie sie für Zeitgenossen unvorstellbar schienen. Man muss wissen: Heute kennen wir die Welt aus allen Winkeln des Weltalls fotografiert. Damals, vor der ersten bemannten Mondlandung, waren Kubricks leinwandgroßen Einstellungen vom Blauen Planet eine Sensation. Wenn wir heute den Film sehen und es uns nicht auffällt, dass diese Bilder schon ein halbes Jahrhundert alt und im Filmstudio entstanden sind, erkennen wir erst das visionäre Genie von Stanley Kubrick. Und wir verstehen, warum sich bis heute die Verschwörungstheorie hält, die US-Mondlandung habe es in Wirklichkeit garnicht gegeben: Kubrick soll für den Propagandaschwindel die Bilder gedreht haben.
Das ist einer der vielen Mythen über Kubrick. Warum diese sich so verbreiteten konnten, liegt ebenso in der immensen Bedeutung seines grandiosen Werkes wie in der öffentlichen Zurückhaltung des Meisters. Der Regisseur machte sich so rar, dass es Doppelgänger leicht hatten. Umso sensationeller war es, als nach Kubricks Tod sein filmischer Nachlass aufgearbeitet werden konnte. Der Ausstellungsleiter des Frankfurter Filmmuseums Hans-Peter Reichmann und der Archivar Bernd Eichhorn nahmen sich dieses weit über die Filmwelt hinaus bedeuten Projektes an. Heraus kam eine famose Ausstellung, die im Jahr 2004 ihre Premiere feierte und seither mit großem Erfolg durch die Welt tourt. Natürlich gab es darin viel über 2001 zu erfahren.
Egal welcher Science-Fiction-Film ins Kino kommt, für Cineasten ist 2001 immer der Referenzpunkt und Maßstab. Das Geheimnis von Kubrick ist: Sein Werk ist losgelöst von der Entstehungszeit. Und die Fragen und Rätsel, die 2001 aufgibt, lassen sich weder lösen noch beiseite legen. Deshalb kann man sich mit großer Erwartung auf die Ausstellung – mit zahlreichen Originalexponaten aus internationalen Sammlungen und aus dem Stanley Kubrick-Archiv der University of the Arts London – freuen, die das Kubrick-Team des Deutsche Filmmuseums kurtiert hat.
Zum Autor:
Horst Martin ist Inhaber eines Pressebüros mit Schwerpunkt Film. Von 2004 bis 2010 leitete er die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Filminstituts und zeichnete unter anderem für die PR-Kampagne der Stanley Kubrick-Ausstellung verantwortlich.